Freitag, 21. November 2008

Buchreview "Globalia"


Jean-Christophe Rufin. Globalia ist eine perfekte Welt. Zum Schutz vor äußeren Gefahren und schlechtem Wetter ist sie in einer riesigen, gläsernen Kuppel untergebracht. Diese trennt die moderne Welt von den übrigen unzivilisierten Gebieten. Freiheit, Sicherheit, Wohlstand - hier scheint all das tägliche Realität. Globalia ist ein Land ohne Grenzen, eine Welt ohne Kriege. Das Alter ist abgeschafft, die Vergangenheit auch.




Doch einem ist diese perfekte Welt unerträglich: Der junge Baikal ist ein Rebell, er will raus, er will frische Luft atmen, das Meer sehen und ausbrechen aus seinem künstlichen Leben. Gemeinsam mit seiner Freundin Kate schmiedet er einen Plan: Während einer Trekkingtour wollen die beiden versuchen, auf die andere Seite Seite der Glaswand, in die sogenannte Non-Zone, zu kommen. Doch ihr Fluchtversuch scheitert, sie werden vom "Gesellschaftsschutz" gefasst - jedoch schon bald wieder in der Non-Zone auf freien Fuß gesetzt. Denn der unbeugsame Baikal eignet sich hervorragend als Feindbild, das die Regierung braucht, um die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Eine mörderische Jagd beginnt.
Rufin verpackt seine allgemeine, nicht auf einen speziellen Staat bezogene, Gesellschaftskritik in einen Zukunftsroman, in dem er die heutigen "Werte" wie Jugendwahn und Kontrolle ad absurdum führt und durch überspitzte Darstellungen den Irrsinn aufzeigt. In dieser perfekten Welt wird die Zeitrechnung nur noch von Jahr 1 bis Jahr 60 geführt und dann wieder von vorn begonnen. Nachdem man mittlerweile die Lebensdauer extrem verlängern kann, soll damit das wahre Alter der "Menschen mit großer Zukunft", wie hier die älteren Bewohner bezeichnet werden, verschleiert werden. Denn gibt man das Geburtsjahr 10 an kann man eben 10 sein oder auch 70 oder 130. Desweiteren hat sich der Gleichheitswahn hinsichtlich des jugendlichen Aussehens dahingehend verschoben, dass nun die Schönheitsoperationen darin bestehen, sich älter zu machen als man ist, da die Jugend in dieser Welt verpönt ist - keine Erfahrung, Erscheinungsbild häßlich und allgemein in der Minderheit, da Geburten nur noch dann erlaubt sind, wenn es für die Bevölkerungszahl tatsächlich von Nöten. In dieser subtileren Form der Diktatur ist die freie Meinungsäußerung natürlich erlaubt - sogar gefördert -, solange man sich nicht zu Kritik am Staat hinreißen lässt. Die Medien sind manipuliert und da ein solches Herrschaftskonstrukt zumeist auf Angst basiert, verübt die Regierung eigenhändig Anschläge, die dann den Bewohnern der Non-Zonen zugeschrieben werden, um die Bevölkerung Globalias zusammen zu halten. Aus dieser Welt will Baikal ausbrechen.
Nachdem er bei seinem ersten Fluchtversuch gefangen und zurück gebracht wurde, setzt ihn die Regierung überraschend wieder in der von ihm gewünschten Freiheit aus. Natürlich nicht ohne Hintergedanken. So beginnt eine fein gesponnene Intrige, die Baikal zu einem Werkzeug der Mächtigen machen soll, damit der Staat Globalia weiter die Kontrolle über seine Bürger ohne Kritik ausüben kann, da man doch feststellen musste, dass die Anschläge nicht mehr die Wirkung erzielten, die man sich erhofft hat und man nun einen neuen - einen echten Feind braucht. Während er Autor nun die Geschichte Baikals und seines Weges in den an ein Endzeitszenario erinnernden Non-Zonen aufzeichnet, wird von ihm parallel die Entwicklung innerhalb Globalis geschildert, die an Spannung immer mehr Fahrt aufnimmt, weil sich der Autor sogar ein mehrfaches Intrigenspiel ausgedacht hat, das ein Robert Ludlum nicht besser hätte ersinnen können. Daher bleibt das Buch auch bis zum Ende interessant und mit kleinen Überraschungen versehen.
Für Leser, die sich an Werken wie "1984" oder "Fahrenheit 451" erfreuen können, ist das Buch die wahre Pracht und durch die intriganten Strippenzieher der Regierung und ihrer Schergen werden auch die Thrillerfreunde gut versorgt. Wer sich aber anhand der Inhaltsangabe eine mördersiche Jagd versprochen hat, die mit einem ordentlichen Actionanteil gewürzt ist, der hat hier leider verloren. Ein paar kleine Scharmützel außerhalb Globalias in den Non-Zonen und das war es auch schon. Aber an sich ein gutes Buch, die intelligentere Form der Thrillerliteratur.

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