Mittwoch, 19. Mai 2010

Buchreview "Der Gegenschlag"

Vince Flynn. Der CIA gelingt es, zwei gefährliche Terrorzellen im fernen Osten auszuschalten. Doch es gibt Hinweise auf eine dritte Zelle. Sie wird angeführt von einem ehrgeizigen Terroristen, der mit allen Mitteln die Führung von Al-Kaida übernehmenwill. Sein Ziel: Ein Bombenanttentat, das alles Vergleichbare in den Schatten stellt. Spezialagent Mitch Rapp wird beauftragt, das Unvorstellbare abzuwenden. In Bagram werden auf dem dortigen Luftwaffenstützpunkt zwei hochrangige Terrorgruppenmitglieder inhaftiert, die nach einem Besuch diverser Politbonzen entsprechend der Menschenrechtscharta zu behandeln sind, auf die sie sich berufen. Bei so viel Fürsorge denken die natürlich gar nicht erst dran, irgendwelche Vorhaben oder Geheimnisse auszuplaudern. Da kommen Mitch Rapp und sein Protege Mike Nah ins Spiel. Vorbei die gemütlichen Tage in den Zellen. Wo Rapp ist, herrscht sein Gesetz. Und nach gesamtamerikanischem Selbstverständnis wird dann auch ziemlich schnell der ganz rechte Kurs angeschlagen, wenn er den Zeilen dient. Ab jetzt finden wieder "ordentliche" Verhöre statt. Schmerzen frei Haus. Während für die Gefangenen also neue Zeiten anbrechen, machen sich in den heiligen Hallen der Macht in Washington die ersten Zauderer auf, die Vorgehensweise derGeheimdienste - insbesondere der CIA - in Frage zu stellen und die unwürdigen Methoden zu stoppen. Klar, dass diese Figuren bei der Charakterzeichnung durch Vince Flynn erhebliche Abstriche in Kauf nehmen müssen, während die eigentlichen Täter und Verteidiger des Landes grundsätzlich über jeden Zweifel erhaben sind. Und hier beginnt auch der zweite Handlungsstrang in "Der Gegenschlag": die politischen Diskussionen um die Richtigkeit des Vorgehens, die Abnklagen gegen Rapp, Nash und die CIA sowie die privaten Probleme des Agenten Nash, der neben seinem Beruf auch noch Frau und Kinder hat und vom Streß und der Geheimniskrämerei geplagt, psychische Probleme bis hin zur Erektionsstörung (der arme Kerl, nun muss man ihn auch noch bemitleiden) erdulden muss. So haben wir dann auf der Regierungsseite einen wahren Intrigantenstadl, der sich in die Belange der Geheimdienste einmischt, ja es tatsächlich wagt, seiner Aufgabe nachzukommen, die Aktivitäten der Geheimdienste zu kontrollieren, damit die Bürgerrechte gewahrt bleiben. Ist das denn zu fassen, behindern ihre Mörder im Dienste der Nation einfach bei ihrer Arbeit. Und schon passiert das Malheur: Rapp wird von seinem Verhör abgezogen, da man sich höheren Ortes über seine Methoden (das bisserl Folter und Schlafentzug) echauffiert hat und soll nun in einer Anhörung Stellung nehmen, während die Terroristen ein eine Kuschelzelle mit allen Annehmlichkeiten verlegt werden. Da verbieten sie doch glatt ihrem Killer das Töten. Das grenzt schon an Majestätsbeleidigung. Als würde man Politikern das Lügen untersagen. Derart abgelenkt durch die Privatsituation des Mike Nash und der Anklage gegen Rapp, bemerkt niemand, dass sich eine Terrorgruppe aus einem Ausbildungslager in Südamerika auf den Weg nach Washington macht und dort angekommen auch gleich mal einige Bomben explodieren lässt, die etliche Menschenleben fordern. Und hoppala - sdchon schwenken die Kritiker um und setzen Nash und Rapp auf die Terroristen an und gegen ihnen die schriftliche Erlaubnis alles aufzuwenden, um die Typen zu stellen. Rapp erhält seinen Freibrief. Foltert sie. Tötet sie. Macht mit ihnen, was ihr wollt. Hauptsache, es nutzt uns. AMERICA FIRST. Was scheren uns die Rechte, Gesetze und Regeln anderer Menschen oder Nationen? Jagt sie und legt sie um. Und da nicht jeder Attentäter gefasst werden kann, machen sich Rapp und Nash an die Arbeit, die aber erst im Folgebuch vollendet werden wird. Keine großen Änderungen bei Vince Flynn. Er ist sich und seinem Stil treu geblieben. Die Handlungsstruktur ist mit den Themen Terrorismus und Verschwörung weiterhin ähnlich den Vorgängern. Einzige Neuerung ist die tragende Rolle des Proteges Mike Nash, den Rapp jetzt an seiner Seite hat. Der dient auch dazu, eine menschlichere Komponente in die Bücher einzuführen, da er Familie hat und sich um Probleme kümmern muss, die mit Kindern und Eheleben zu tun haben, während Rapp weiter den harten Kerl ohne Kompromisse geben darf. Der Spannungsaufbau ist zwar okay, aber gemessen an den bisherigen Schriften des Vince Flynn und der dadurch recht hohen Erwartungshaltung seitens meiner Person aufgrund der bisher positiven Erfahrungen mit seinen Romanen, muss ich leider sagen, dass "Der Gegenschlag" nicht unbedingt die Hitliste der Rapp-Storys anführen wird. Nach der Action und den Verhören direkt zum Einstieg leidet das Tempo erheblich unter dem Wechsel zwischen den Konferenzen zur Eindämmung der Gewalt im Einsatz und den privaten Auseinandersetzungen, die Nash mit seiner Gattin zu führen hat. Etwas überzogen auch die positive Darstellung der amerikanischen Charaktere. Nicht mal die Kinder haben eine normale Schulhofprügelei, da müssen sie gleich zu Verteidigern der Mutter hochstilisiert (oder wie einst Bruno L. sagte "hochsterilisiert") werden. Und der Schwenk vom Kritiker zum Befürworter geht auch derart schnell und drastisch vonstatten, dass es eine wahre Pracht ist. Aber das mit dem positiven und kritiklosen Amerikabild war ja schon durch die Vorgänger bekannt und hat sich halt nicht geändert. Da Vince Flynn als Berater für die TV-Serie "24" bis zu ihrer Einstellung nach Staffel 8 tätig war, hat er vielleicht jetzt wieder mehr Zeit, seinen Protagonisten Mitch Rapp auf actionreichere Jagd nach den Feinden von Gottes eigenem Land gehen zu lassen und die Politintrigen nur als Randerscheinung in die Geschichte aufzunehmen. Ich gebe zu, das ist Gemecker auf hohem Niveau, da Flynn wirklich zu den besseren Autoren im Bereich Techno- und Actionthriller zählt, was ihm auch eine Verfilmung seines Buches "Consent to kill - Der Feind" eingebracht hat, die angeblich für 2012 geplant ist. Wird das ein Erfolg, könnte vielleicht eine Reihe daraus entstehen, die sich womöglich besser macht, als die vorgesehenen "24"-Spielfilme, die meines Erachtens irgendwie nicht richtig funktionieren, wie der TV-Film "24-Redemption" gezeigt hat. Warten wir es ab.

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