Mittwoch, 23. Juli 2014

Buchreview "Du kannst keinem trauen" R. Wells

Robison Wells. Du hast dir ein besseres Leben gewünscht. Doch wo du jetzt landest, ist es schlimmer als je zuvor. Gefangen in einem Internat. Kein Entkommen. Niemals. Aber du bist entschlossen zu fliehen. Doch du kannst keinem trauen. Nur dir selbst.

Benson Fisher wurde von einer Pflegefamilie zur nächsten weitergereicht und blieb nirgends lange genug, um Freunde zu finden. Irgendwann sah er die Chance sich auf ein Stipendium einer elitären Privatschule zu bewerben. Also schmiß er dem letzten Pflegevater den unbezahlten Tankstellenjob vor die Füße, was in Bensons Falle hieß, dass er die Tanke einfach nicht aufgemacht und und vor Dienstbeginn kommentarlos verschwunden ist. Viel Spaß Pflegepapi, hehe. In einer Limousine wird er zu seinem neuen Wirkungsfeld kutschiert und muss schon bald feststellen, dass hier ganz schöne Sicherheitsmaßnahmen herrschen. Erst kommen sie an einem hohen Zaun mit Stacheldrahtkrone vorbei und eine halbe Meile später an einer steilen Mauer, deren Umgebung ca. vier Meter auf jeder Seite von jeglichem Bewuchs befreit ist. Seltsam auch, dass er auf dem Hof keine Kids oder Schüler bzw. Lehrer sieht. Nur im Gebäude an einigen Fenstern scheinen welche zu winken und rufend herumzualbern. Er wird von der immer strahlend lächelnden Becky empfangen, während die Limousine wieder abbfährt. Jetzt ist kein Erwachsener mehr zu sehen. Von Becky erfährt er, dass das auch so bleibt. Nach und nach erkennt er die Strukturen der Schule. Keine Erwachsenen, kein Freigang, sie bleiben in der Schule eingesperrt, die Schüler bekommen über PCs, die keinen Internetzugang haben, ihre Lernaufträge, es gibt keine Telefone, keine Fernseher und er MUSS sich einer der herrschenden Gruppen anschließen und die zu verteilenden Arbeiten verrichten. Die werden nach einem Punktesystem vergeben, bei dem sich die Schüler ihre Punkte durch harte Arbeit, Fleiß, gutes Benehmen, absoluten Gehorsam bei den strikten Regeln ihre Position und auch manche Annehmlichkeiten verdienen können. Die unterschiedlichen Gruppen sind: a) die Society, die kuschen und immer nach den Regeln der Schule leben, b) die Havocs, die das genaue Gegenteil tun und so viel Unruhe stiften, wie es ihnen möglich ist und c) die Variants, die irgendwie zwischen den Stühlen sitzen und für die entscheidet sich Benson. Doch er will sich auch nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass er hier nun eingesperrt sein soll, wie in einem Gefängnis oder eine Laborratte. Immer mehr verdichtet sich bei ihm de Verdacht, dass sie hier nur einem Experiment dienen und er will abhauen. Wirklich ernst wird es ihm mit dem Wunsch allerdings, als er eine schreckliche Entdeckung macht.   

"Du kannst keinem trauen" (Original"Variant") beginnt eigentlich ähnlich wie "Die Auserählten 1 - Im Labyrinth". Ein Jugendlicher wird mit einer Situation konfrontiert, über die er gar nichts wissen kann und muss mit einer fremden Gemeinschaft zurechtkommen. Auch hier wird der Leser mit dem Protagonisten auf dem gleichen Wissensstand ins Geschehen katapultiert. Unwissenheit erzeugt Spannung (Und ich weiß jetzt, warum mein Leben so spannend ist: Keine Ahnung von gar nix). Dass Benson Fisher ein eher unbequemer, weil komplizierter, denkender und starrsinniger Charakter ist, erfährt man schon zu Beginn, wenn die Vorstellung vorbei ist. Er kommt dem Leser in manchen Situationen vor, wie der berühmte Fremde, der in eine ihm unbekannte Stadt kommt und dort aufräumt, bevor er wieder verschwindet. Benson ist clever, versucht, eine Fluchtbewegung zu organisieren, stößt aber auf Widerstände. Bei der Gelegenheit kümmert sich der Autor geflissentlich um die Thematik, ob blinder Gehorsam wirklich die beste Lösung sein kann oder ob man seine eigenen Ansichten icht nur äußert, sondern auch wirklich dafür eintritt. Erfreulicherweise bedient er sich kaum an den bekannten High School-Klischees, bindet sie schlimmstenfalls oberflächlich ein und lässt dafür von Seite zu Seite die Spannung ihr Steigerungspotential entfalten. Nachdem einige Konflikte teils recht handgreiflich ausgetragen wurden, bei denen sich auch die Gruppendynamik veränderte, bietet Robison Wells dann eine Wendung auf, die überraschen soll und für ein Jugendbuch auch sicherlich gut funktioniert, aber da er sich leider auch bei einigen bekannten Versatzstücken aus Buch und TV bedient hat, konnte zumindest ich das Ereignis bald benennen, bevor es für die handelnden Personen und den Leser offensichtlich wurde. Nach diesem Schock für die Schüler, bilden sich zwei Gruppen - die eine will bleiben und es aussitzen, da sie, die sie ja alle nichts besseres kannten, es an der Maxlight trotz aller Regeln und gespenstischer Vorfälle noch recht gut hatten und die andere, die unbedingt fliehen will. Dennoch macht sich der größere Teil auf den Weg, die Hindernisse Richtung Freiheit zu überwinden, ohne wirklich zu ahnen, dass sich unter ihnen doch noch eine unbekannte Anzahl einer weiteren Partei befindet. Hier setzt Robison Wells dann auch auf einige Actionsprenksel, die aber nie so richtig brutal sind. Und er lässt das Buch mit einem fetten Cliffhanger enden. Dass im Anschluss noch zwei Kapitel des Nachfolgers stehen, sollte man sich möglichst verkneifen zu lesen. Verdirbt die Vorfreude. Ein ordentliches Jugendbuch mit einem geeigneten Thema. Aber in die Nähe der Qualität eines Charlie Higson reicht das Buch nicht.

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