Mittwoch, 12. Mai 2010

Buchreview "Der Pfahl"

Richard Laymon. Der Horrorautor Larry entdeckt eine Geisterstadt in der Wüste Kaliforniens. Im Keller eines verfallenen Hauses steht ein Sarg, in dem eine mumifizierte Leiche liegt. Und in dieser Leiche steckt ein Holzpfahl. Larry beschließt, den Sarg mitzunehmen und das Entfernen des Pfahls in seiner eigenen Garage auf Video für die Nachwelt festzuhalten. Keine gute Idee, wie sich bald herausstellt. Nach dem Prolog, der einen auf weibliche Exemplare eingeschworenen Vampirjäger ein Auge kostet, schickt Laymon ca. 20 Jahre später 2 Pärchen auf Entdeckungsreise in eine Geisterstadt. Neugierig wie sie sind, betreten sie unerlaubt ein Gebäude, das von außen verriegelt ist. Egal. Tür aufgebrochen und rein. Und da ist er - der Sarg, belegt mit einer Leiche klar erkennbaren weiblichen Geschlechts, die einen unübersehbaren Pfahl in der verschrumpelten Brust stecken hat. Da machen sie sich erst einmal recht erschrocken vom Acker. In der Folgezeit darf sich der Leser am Tagesablauf der Familien und auch Larrys Tochter Lane ergötzen, ohne dass etwas wirklich Ermunterndes geschieht. Zudem wird ein echter Dreckskerl von Lehrer ins Geschehen eingeführt, der auch später noch eine tragende Rolle spielen wird. Um nun nicht endgültig in Langeweile auszuarten, wird das Ganze genüßlich mit erotischen Auswüchsen des Autors gewürzt. Titten und Hintern garantiert. Irgendwann kommen die beiden Typen denn auch noch auf die glorreiche Idee, ohne ihre Angetrauten zu informieren, den Sarg aus der Geisterstadt zu stibitzen und einen Reality-Roman aus dem Erlebten zu kreieren. Und wenn wir schon mal dabei sind, könnte man ja auch das Entfernen des Pfahls auf Video aufnehmen. Macht die Sache doch viel realistischer. Natürlich alles ohne Wissen der Gattinnen. Alsbald macht sich der Autor Larry daran, die Geschichte der Toten zu recherchieren und kommt hinter einige gespenstische Vorfälle, die rund 25 Jahre zurückliegen. Seine Recherchen bringen einige Vermisstenfälle zutage, die bis dato noch nicht aufgeklärt wurden. Und sein Töchterchen nutzt die Zeit, ihren Lehrer ein bisserl zu umgarnen, ihren derzeitigen Freund abzuservieren und sich auch sonst nicht gerade übermäßig intelligent zu verhalten. Währenddessen sorgt ein knuffiger Dreifachmord dafür, dass der geneigte Leser bei der Lektüre nicht sanft entschlummert. Szenenwechsel: Liebesleben der Tochter, erotische Fantasien der Tochter. Überflüssig. Fantasien Papa. Aber nicht über die Tochter. Trotzdem überflüssig. Und dann entdecken die weiblichen Pendants auch noch den Sarg in der Garage. Da gibt es erst mal Saures für das Heldenduo. Und zu allem Überfluss taucht auch noch der einäugige Vampirjäger aus dem Prolog auf. Die Fäden führen zusammen, die Handlung nimmt auf den letzten 150 Seiten endlich richtig Fahrt auf und steuert auf den finalen Konflikt zu, der aber ein gänzlich anderes Ende nimmt, als man wohl erwarten konnte. Zuerst einmal ein paar Worte zu dem Versuch des Verlages, Brian Keene als legitimen Nachfolger von Richard Laymon aufzubauen. Der ist wohl dem Umstand geschuldet, dass es Leser gibt, denen Laymon zu viele Ausfälle in seiner Bibliographie hat oder die seiner einfach überdrüssig sind. Aber Keene? Kein Arsch, kein Tittchen, genau wie bei Schneewittchen. Passt also schon mal gar nicht als Laymonersatz. Es wäre zwar auch fatal zu behaupten, dass Laymon ein literarsicher Gourmetkönig sei, doch im Vergleich zu "Totes Meer" von Brian Keene ist er um mindestens eine Klasse besser, was Aufbau und Stil betrifft. Man kann die beiden Autoren nicht auf eine Stufe stellen, da ist jeder ein Unikat. Nun zu "Der Pfahl". Laymon hat sich hier bei seinen eigentlich bekannten Blutorgien extrem zurückgehalten, sodass der Verlag sogar von "Anpassungen für den deutschen Markt" (eine neue Bezeichnung für Selbstzensur?) Abstand nehmen konnte. Als Ausgleich dafür ist die erotische Komponente mannigfaltig vertreten. Nach dem Prolog folgt man der Handlung noch recht gespannt und interessiert, aber mit Fortgang der Seiten werden die pubertären Fantasien der Tochter und die spätpubertären feuchten Träume ihres Dads doch langsam etwas ermüdend. Kein richtiger Drive in der Story und hätte Laymon nicht einen glatt lesbaren Schreibstil, das Ding wäre zäh wie ein alter Kaugummi. Hat mich irgendwie an den Ablauf von "Das Treffen" erinnert. Erst passiert nichts, dann passiert lange gar nichts, bis sich zum Ende hin das Tempo doch erhöht. Aber da ist schon mehr als Dreiviertel des Buches gelesen. Daher wird "Der Pfahl" nicht gerade zu meinen Favoriten aus dem Hause Laymon zählen. Aber wie so mancher seiner Stammleser werde auch ich seine nächsten Outputs "Das Grab", "Das Inferno", "Finster" und "Der Käfig" trotz angekündigter Anpassung bei "Das Inferno" auf meiner Orderliste haben. Ist schon ne Art Gewohnheitsrecht.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

@Harry:

Damn,you´re quick!

SNEAK.

Harry hat gesagt…

Habe das Buch "vorgezogen", um dir relativ zeitnah eine Meinung liefern zu können. Habe jetzt noch Vince Flynn und Adrian McKindrey vorliegen und danach kommt Herr Schätzing mit seinem "Limit". Das kann dann dauern, bis ich wieder aktiv bin.
Gruß
Harry

Anonym hat gesagt…

Limit liegt auch noch vor mir-habe ich aus, nennen wir es mal Angst-um-meine-kostbare-Zeit-Gründe, nach hinten verschoben,hehe!

Dank dir jedenfalls!

ansonsten wie immer...nennen sie mich SNEAK:

Harry hat gesagt…

Schnell noch zwei Tipps für September:
Matthew Delaney bringt nach "Dämon" endlich den Nachfolger "Golem" und von Christopher Farnsworth kommt "Blutiger Schwur", in welchem kurz gefasst der Troubleshooter des US-Präsidenten gegen alle Widrigkeiten und Gegner ein Vampir ist.
Sind geordert.
Harry

Anonym hat gesagt…

klingt lecker..wäre nicht das erste mal daß du mich mit den machwerken mir unbekannter autoren "INFIZIERT",hehe...


SNEAK