Jean-Christophe Grange. Grégoire Morvan, Familienpatriarch und graue Eminenz des französischen Innenministeriums, blickt auf eine ruhmreiche Karriere zurück. In den 70-ern hat er in Zaire den berüchtigten Killer Nagelmann gefasst, der
einem bestialischen Ritual folgend neun Menschen ermordet
hat. Als an einer bretonischen Militärschule ein junger Rekrut tot aufgefunden wird,
dessen grausame Entstellung dem Modus Operandi des Nagelmannes ähnelt,
führt Morvans Sohn als Polizeikommissar die Ermittlungen.
Anscheinend hat der Verlag dem Namen Grange nicht mehr vertraut, denn welchen Grund sollten sie sonst haben, völlig ohne Bezug mit dem deutschen Titel auf "Die purpurnen Flüsse" zu schielen. Beide Werke haben NICHTS miteinander zu tun. Selbstverständlich macht der Autor stilistisch keine Abstriche und beschreibt wortgewandt die Geschehnisse um die Familie Morvan. Das braucht seine Zeit und wirkt zu Beginn etwas zäh, bis sich erste Abründe auftun. Die Morvans sind eigentlich eine zerrüttete Truppe, moralisch völlig daneben, total zerstritten und mit allen möglichen Lastern gesegnet. Da fragt man sich kaum noch groß, wo all die Süchte, die fragwürdigen Karrierepläne und eine gewisse Rücksichtslosigkeit herkommen. Und ist sich dabei auch sicher, dass der Autor selbstverständlich irgendwo Wendungen verborgen hat, auf die man nicht so zügig kommt. Aber man braucht schon eine gewisse Geduld. Die Story hat viele Nebenschauplätze, die erst später zu einem Ganzen zusammengefügt werden. Dadurch wirkt sie sehr komplex und hätte ich nicht schon einige Bücher von ihm gelesen, hätte ich vielleicht irgendwann aufgegeben, aber so blieb ich bei der Sache und wurde nicht enttäuscht. Wie schon viele andere Autoren vor ihm (Manchette, Manotti und andere) hält er den Franzosen den Spiegel vor. Rassismus ist absolut nicht fremd und die Elite aus Hochadel, Geldsäcken und Politik mauschelt sich über mehrere Dekaden hinweg reich und reicher, während den Bürgern die Rechte beschnitten und sie nach Strich und Faden belogen werden, aber da brauchen sich andere Nationen nicht drüber brüskieren. Absolut nicht, gelle Deutschland? Ein stetiger Wechsel zwischen rätselhaft, düster, brutal und Glamour zieht sich über die rund 770 Seiten hinweg, kann mit jedem Kapitel mehr in den Bann ziehen und faszinieren und als wäre das nicht genug, darf man sich nach der Lösung noch auf einen satten Cliffhanger freuen, der diese recht kaputte Familie mit ihren Geheimnissen im nächsten Buch vielleicht endgültig zerstört. Gewarnt wird ja davor. Anfangs - 100 Seiten lang - hatte ich schon gewisse Zweifel, ob Grange mich wieder überzeugen und in seinen Bann ziehen könnte, doch es sei gesagt: Er konnte. Wer also zumindest einige seiner Bücher zu schätzen wusste, darf gerne einen Blick riskieren.
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