Mittwoch, 24. Juni 2009

Buchreview "Die Zelle"


Charles den Tex: Hat irgendjemand eine Ahnung, was hier los ist? Michael Bellicher weiß nicht, wie ihm geschieht: Der junge Amsterdamer Unternehmensberater wird Zeuge eines schweren Autounfalls und ruft die Polizei. Doch die eintreffenden Beamten beschuldigen ihn eines anderen Unfalls mit Todesfolge und nehmen ihn vorläufig fest. Wieder auf freiem Fuß, muss er feststellen, dass er ohne sein Zutun Eigentümer maroder Treibhäuser im niederländischen Gartenbaugebiet geworden ist. Bellichers Existenz wird mehr und mehr fremd bestimmt. Wer stiehlt erst seine Identität und will dann auch noch sein Leben?

Wieder erzählt Michael Bellicher wie schon in "Die Macht des Mr. Miller" seine Geschichte selbst und hat auch einiges damit zu tun, dem Leser zu vermitteln, wie er ein weiteres Mal derart in die Bredouille kommen konnte. Nach dem Unfall auf Kaution entlassen, auch noch als Kreditbetrüger beschuldigt, macht er sich daran, mit Unterstützung seines Partners und seiner übrig gebliebenen Freunde und Familienmitglieder aus seinem früheren unfreiwilligen Abenteuer, hinter die Machenschaften zu kommen, die ihn so in Schwierigkeiten gebracht haben. Ein Mann, der das Internet schon als selbstverständlich und unverzichtbar sowie absolut sicher angesehen hat (hat er keine Lehren aus den Vorgängen in seiner früheren Firma gezogen?), wird durch Datenhandel in eben jenem Netzwerk zu einer völlig anderen, oder besser, einer Unperson, erhält ohne eigenes Zutun den Ruf eines Verbrechers und muss seine Unschuld beweisen, um sein bisheriges Leben - das echte, nicht weltweit vernetzte - wieder zu erhalten.

Das Alles ist äußerst spannend geschildert und der Autor hat einiges an Kritik an den heutigen Methoden der Terrorbekämpfung und den Datenschutzrichtlinien sowie der Gesellschaft allgemein in seinen Thriller einfließen lassen. Hier geht es nicht nur um den Diebstahl einer Identität, sondern auch um illegale Einwanderer und Arbeitgeber, die diese unter unwürdigen Bedingungen schamlos ausnutzen und auf diese Art die Löhne drücken sowie europäische Regierungen, die sich eigentlich nicht anders verhalten als die Amerikaner, die ihren Bürgern die Grundrechte aufgrund von Terrorängsten immer mehr beschneiden. So kann man lesen, dass es auch in unserem Nachbarland eine Art "Holland-Gitmo" gibt und die Methoden sich kaum von denen der großen Macht jenseits des großen Teiches unterscheiden und weil das alles ja gut funktioniert und vor allem auch etliches an Geld damit verbunden ist, freut sich auch die Wirtschaft über die Einschränkungen beim Datenschutz, kann man doch nun bedenkenlos Adressen versilbern, Personal überwachen, Werbemaßnahmen anpassen und vieles mehr. Damit das Ganze nicht zu trocken wird, enthält den Tex' Roman auch einige starke Actionpassagen wie eine Autohatz durch etliche Gewächshäuser, bei der es auch anständig Glasbruch zu bestaunen gibt. Wie das Durcheinander dann aufgelöst wird, sei hier nicht verraten, aber es lässt Zweifel an unseren Politikern noch stärker werden und der freien Wirtschaft traut eh keiner mehr und zu was Regierungen fähig sind - siehe Amerika. Auf jeden Fall liegt hier intelligente, informative Thrillerkost vor, die das Zeug zu einer Verfilmung hätte, wäre da nicht der heutige Massengeschmack für Fast-Food-Kino mit Epilepsieanleihen ohne verquickte Handlungsstränge. Ist für die momentane Filmkunst und deren Kunden vermutlich zu anstrengend. Daher bleibt bloß das Buch - und das ist es wert, gelesen zu werden. Klare Leseempfehlung für Thrillerfans.

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