Mittwoch, 4. April 2012

Buchreview "Der Gast"

Richard Laymon. Eine Nacht in Los Angeles: Eher aus Zufall befreit der ängstliche Neal eine junge Frau aus der Gewalt eines Serienkillers. Zum Dank dafür schenkt sie ihm ein Armband, das magische Kräfte besitzt. Mit seiner Hilfe kann man in die Körper anderer Menschen eindringen - fühlen, was der andere fühlt, spüren, was der andere denkt. Doch was zunächst ein prickelndes Erlebnis zu sein scheint, verwandelt sich für Neal schnell in einen Albtraum.
Neal ist ein wahrer Hasenfuß. Fährt zur Abgabe von Videos extra Umwege, da er hofft, er könnte so irgendwelchen Gangs aus dem Wege gehen oder die Begegnung mit Verbrechern vermeiden. Irgendwie fürchtet er sich nachts vor seinem eigenen Schatten in der Straßenbeleuchtung. Aber ne geladene Knarre im Handschuhfach, der Knülch. Als er mal wieder durch die Walachai fährt, um (eingebildete) Konflikte zu vermeiden, hört er in der Stille um sich herum plötzlich Schreie einer Frau. Und greift sich tatsächlich völlig entgegen seiner sonst feigen Art seine Kanone (obwohl wir bei Laymon sind, ist es diesmal die aus dem Handschuhfach) und eilt zu Hilfe. Auf einem Stück Brachland wird eine an einen Baum gefesselte nackte Lady von einem vermummten bärtigen Kerl bedrängt und misshandelt. Er pumpt vier Kugeln in den Typ und fährt die gerettete Elise dann nach Hause. Die macht ihm einige sehr eindeutige Angebote zur Begleichung ihrer Dankesschuld, doch er lehnt sie ab (und das bei einem Laymon, tsts). Schließlich akzeptiert er ein Armband, das bestimmte Fähigkeiten besitzen soll. Nach der Erklärung, dass man damit in die Körper anderer Menschen eindringen kann, verabschiedet er sich. Er nutzt dann zu Hause das Geschenk, um zu prüfen, ob es wie versprochen funktioniert und testet dann, ob Elise auch wirklich noch unversehrt ist, nachdem er gegangen war. Ist sie nicht. Der Killer hat überlebt und erledigt nun seinen zuvor unterbrochenen Job. Er rast zu ihr hin, findet sie aber nur noch tot vor. Geschockt fährt er wieder zu sich und erzählt seiner Freundin von den Geschehnissen, verschweigt aber vorerst das Armband. Da er bei Elise seine Visitenkarte hinterlassen hat, glaubt er, dass der Killer nun auch hinter ihm her ist und zieht vorübergehend zu Marta. Während die zur Arbeit geht, testet er weiter das Armband, blamiert sich mal ordentlich und entschließt sich dann um der Sicherheit Martas willen, die Wohnung und die Stadt zu verlassen. Auf dem Weg nach Nevada liest er unterwegs die blutjunge Kellnerin Sue auf, die ihn dann auf seiner Reise zu "The Fort" - Casino und Vergnügungspark - begleitet. Und da wird dann gefahren, gelabert und gelabert und gefahren bis man endlich am Ziel ist. Er nutzt dann jede sich bietende Attraktion (hier wieder typisch für Laymon denn auch wirklich jede), bevor er auf die Idee kommt, er könne wieder zu Marta zurückfahren - aber mit Sue im Schlepptau. Entgegen seiner Befürchtungen ist die durchaus nicht sauer wegen seines Anhängsels. Schwesterlich teilen sich die Mädels den Typen. Dann hecken sie einen Plan aus, wie sie den Killer fangen und eine stattliche Summe Geld abgreifen können. Klappt aber nicht wie so schlau ausgedacht.
Nach dem durchaus brauchbaren "In den finsteren Wäldern" vom feinen Festa-Verlag, der auch demnächst mit "Licht aus" einen weiteren Laymon bringt, und dem extrem blutrünstigen "Zerfleischt" von Tim Curran (ebenfalls Festa), nun wieder ein Laymon von Heyne Hard Core. Nach einem durchaus netten Beginn mit einer feinen Idee, leiert sich Laymon gewohnt kreativbefreit durch seine Geschichte. Da wird man nach den vorgenannnten Werken schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Fast völlig unblutig, ohne Drive und Action wird der Leser eingelullt in Gelaber und einige Autorenfeuchtträume, die man getrost auch hätte weglassen können, da sie eher eine Rubbelvorlage für pubertierende Jungspunde sind, denn eine atmosphärische Story. Nach dem Mord an Elise wird es laaaang und laaaangweilig. Über 100 Seiten dauert die Fahrt nach Nevada und bis zur Rückkehr vergehen auch noch einige Orgasmen, ohne dass sonst etwas an der Spannung rührt. Esprit oder frische Ideen vermisst man hier jedenfalls völlig. Und mit feiner Feder geschrieben ist auch was anderes. Der Killer bleibt blass und hat kein Profil, kommt zudem eh nur selten zu Besuch und das Frauenbild ist zwar typisch Richie, aber Alice Schwarzer würde auf die Palme gehen. Eigentlich bleibt die gesamte Grundidee fast ungenutzt - was hätte man daraus alles machen können, statt sie so zu verschwenden. Denn die war wirklich gut, hätte nur einen besseren Autor benötigt. So bleibt ein munterer Beginn und ein halbwegs akzeptabler Schluss und dazwischen viel, viel Leerlauf. Die 750 Seiten hätte man gut und gerne um 500 Seiten kürzen können. Eigentlich entpuppt sich "Der Gast" nur als ein blutleerer Thriller mit Mystery-Touch und wieso er bei Heyne Hard Core aufgelegt wurde, dürfte das Geheimnis des Verlags bleiben. Laues Lüftchen. Schwach. Und im September kommt dann aus dem gleichen Hause "Das Loch" (in das wohl jeder Leser nach dem "Genuss" von "Der Gast" gefallen sein dürfte).

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