Mittwoch, 29. Mai 2013

Buchreview "Der Megaseller oder Alle Sünden dieser Welt"

Klaus von Anderen. Im Krieg und in der Buchbranche ist alles erlaubt - wer hier nicht mit harten Bandagen kämpft, bleibt leicht auf der Strecke. Gut, dass Literaturagent Merlin Petrow nicht nur Einfallsreichtum, sondern auch eine gehörige Portion Skrupellosigkeit besitzt. Was ihm noch fehlt ist eigentlich nur eines: Ein richtiger Megaseller. Doch woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Peter Meier alias Merlin Petrow hat den Schreibtisch voll mit unverlangt eingesandten Manuskripten von selbsternannten Autoren, die er zumeist ungelesen in die Tonne wirft. Als er gerade wieder über einem unterirdischen Skript einer Jutta Schniedelhahn brütet, das immerhin den verwertbaren Titel Alle Sünden dieser Welt trägt, ruft ihn ein Verleger an, der noch ein Buch für die neue Frühjahrskollektion braucht. Er schatzt ihm das Machwerk auf, erfindet ein Pseudonym für die Autorin und stellt fest, dass sich die Sache langsam aber sicher verselbstständigt. Ein weiterer Verleger hat über einen Informanten von der Aktion gehört und will nun ebenfalls seine Pfründe sichern. Petrow verscherbelt das Dingen einfach nochmal. Nebenbei muss er sich mit einer Assistentin rumplagen, die vermeintlich an Faulenzia Akutis erkrankt ist, mit diversen Autoren, die schon unter Vertrag sind und nun gebauchpinselt werden wollen, Höflichkeiten (Lügen) austauschen und sich gegen die Umschreibungspläne der Verleger durchsetzen. Und die Autorin von Alle Sünden dieser Welt muss ja irgendwie auch noch informiert werden und man muss sich auf die Tantiemen einigen. Er sucht sie auf und bekommt den Schreck seines Lebens: Diese Person kann man nicht vermarkten, da muss ein neuer Plan her. Ab diesem Zeitpunkt laufen die dinge endgültig aus dem Ruder.

Für dieses Rezensionsexemplar geht der Dank des Rezensenten an Shane Schofield und Boo!."Der Megaseller" ist die Buchvermarktung  mit breitem Grinsen unters Volk gebracht. Eine launige Mixtur aus Boshaftigkeit und dem wahren Leben in  der Verlagsbranche, wenn gewisse Autoren nur darauf reduziert werden, ihr Erfolgsrezept immer wieder aufs Neue zu wiederholen. Ein paar Namen und Locations geändert und schon wird ein und dieselbe Story wieder auf den gutmütigen Käufer losgelassen und nach dem Motto vermarktet, Bestseller sind Werke, über die von allen gesprochen wird, weil eben jeder was dazu zu sagen hat und deshalb von jedem gelesen wird, weil alle sie lesen - und wenn es nur drum geht, mitreden zu können. Und zugeben, dass man nur gequirlte Scheiße gelesen hat, tut eh keiner. Bei derartigem Vorgehen kommt einem gleich ein Grisham oder Dan Brown in den Sinn. Dazu ersinnt man dann noch kreative Namen für die Autoren, die sich besser vermarkten lassen. Da wird aus einem Duane Swierczynski schnell mal ein Duane Louis, ein Emlyn Rees zu Sean Creed oder Tom Hinshelwood zum griffigeren Tom Wood. "Der Megaseller" entwickelt sich schnell zu einer scharfzüngigen Persiflage auf die Verlagsarbeit, an der Klaus von Anderen (Klau's von Anderen? - natürlich ein Pseudonym, aber nicht schlecht gewählt) kein gutes Haar und geschickt Anspielungen auf real existierende Autoren einfließen lässt. Komisch, humorvoll, schräg, fies, lästerlich (Für die Shane Schofield, JasonXtreme, Doc Savage und Jerry Garcia-Fraktion: nicht  lasterhaft! Ihr braucht keinen neuen Edward Lee-Sexmarathon zu erwarten, der würde euch spätestens ab Mitte der Story eh vergehen.), hämisch, bissig, böse und entlarvend bekommen alle ihr Fett weg. Verlage, Ex-Politiker, die nach den Steuererhöhungen während ihrer vergangenen Politkarriere jetzt das Volk ein zweites Mal in Buchform mit hohlem Gerede melken wollen, ohne eine sinnvolle Gegenleistung zu erbringen, eigentlich die gesamte Branche, die sich liebend gerne um leistungegerechte (Okay, bei manchem Autor dürfte da gar nix rumkommen) Entlöhnung ihrer Übersetzer, Lektoren, Korrektoren und anderer Mitarbeiter zwecks Gewinnmaximierung drücken, um dann so zu tun, als wären sie der Kunst und Kultur im Non-Profit-Bereich verpflichtet. Insgesamt eine flott verfasste Lektüre, die wohl keine hohen Weihen erwartet hat und sich entsprechend zügig liest sowie etliche Schmunzler geradezu herausfordert. Angehende Autoren könnten beim Konsum dieses Buches aber blitzartig die Lust verlieren, ein mit Herzblut verfasstes eigenes Werk irgendwo anzubieten.

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