Dienstag, 17. März 2015

Buchreview "Westküstenblues aka Killer stellen sich nicht vor"

Jean-Patrick Manchette. Gerfaut rauscht mit seinem Mercedes über die Nationalstraße, als er von einem Raser überholt wird. Später findet er den Wagen im Graben und den Fahrer tot daneben. Doch er starb nicht an den Folgen des Unfalls. Er wurde erschossen. Vermutlich von den Typen, die gerade in einem roten Lancia das Weite suchen. Ab jetzt ist auch sein Leben in größter Gefahr.

Georges Gerfaut hat die Sache mit dem toten Unbekannten schon lange vergessen. Er hat ihn ins Krankenhaus gebracht und ist dann abgehauen, ohne seine Personalien zu hinterlassen. War ihm lieber so, da er schon etwas gebechert hatte. Doch wirklich loslassen tut ihn das Ganze nicht. Im Urlaub versuchen zwei Kerle ihn im Meer zu ersäufen. Er kann entkommen, aber obwohl der Strand überfüllt ist, hat niemand auch nur das Geringste gesehen. Er lässt seine Familie, Frau und zwei kinder, zurück und fährt nach Hause nach Paris. Sicher ist er hier natürlich auch nicht.
Einem zweiten Angriff kann er nur knapp entkommen. Er flieht quer durch Frankreich, durchreist das Land wie einer dieser Wohnsitzlosen, springt auf Züge auf und gerät dann einmal an den Falschen Kollegen. Der will ihm auch noch seine restliche Habe abnehmen, doch Gerfaut springt aus dem fahrenden Zug, aus dem Güterwaggon. Dabei haut er sich heftig den Knöchel an und stellt zudem fest, dass sich der Depp im weitergefahrenen Zug auch noch seine Brieftasche gekrallt hat. Er humpelt weiter, wird immer schwächer und später von ausländischen Arbeitern (Holzfällern) aufgelesen und in eine Hütte gebracht. Dort behandelt ihn ein Mann, der sich aus der Welt zurückgezogen hat und seine Kenntnisse nun armen Leuten oder verirrten und verletzten Wanderern zukommen lässt. Die Erholung von Gerfaut dauert diesmal lange und als sein Sanitäter und Wohltäter stirbt, kommt dessen entfremdete Tochter,m um sich um den Nachlass zu kümmern - und um ihn. Doch sie werden auch von den Killern gefunden.

"Westküstenblues oder Killer stellen ich nicht vor" ist eine härtere Variante französischer Thrillerkost, die sparsam mit Worten umgeht und dennoch die Finger auf Wunden der Nation legt. Da ist die Rede vom Arbeiterkampf, von Ausbeutung, Löhnen, die nicht zum Leben reichen, Kommunismus und Frankreichs "Engagement" in Übersee. Nun, das mit der Ausbeutung und dem fast sklavenartigen Lohn für volle Arbeitszeit gibt es heute noch, in viel schlimmerer Form. Die Welt damals war schon verzweifelt und wer davon spricht, dass früher alles besser war, der kann nur einige kleinere Vorkommnisse meinen, denn jede Zeit hatte ihre schwierigen Phasen mit großen Problemen. Heuzutage sind es die Gierpolitiker, die das Volk gemeinsam behumpsen und selbstverständlich die amerikanisierten Superkapitalisten.die wissen, wie man Steuergesetze umgeht, von den bezahlten Schergen ändern lässt oder sich um gerechte Lohnzahlungen erfolgreich drückt und Teile der Gehälter dem jeweiligen Staat aufdrückt, der sie an die Bedürftigen, die von ihrer mies bezahlten Arbeit bei eben jenen Kotzbrockenkonzerngierkapitalisten nicht leben können, dann aufstockt. Das Buch ist in der Hinsicht düster und auch sonst hat man es hier mit Verzweiflung zu tun - und einem Mann mit Vergangenheit, der das alles irgendwann nicht mehr hinnimmt und sich zur Wehr setzt. Man hätte es nicht erwartet, aber Gerfaut passt zu dem Etikett "hardboiled" und so agiert er auch. Derbe, brutal, rücksichtslos und wortkarg. Manchette verzichtet selbst bei Liebesszenen oder Beziehungen weitesgehend auf Emotionen und lässt die Charaktere recht gefühllos handeln. Spannende, harte und schnörkellose Story mit einem kurzen Schnipsel Politik und einem bösen Hintermann, der kaum "Screentime" hat und eher ein paranoider Hanswurst ist (Der mit seinen angedichteten deutschen Vorfahren deutlich mnacht, dass es damals Mitte der 70-er noch nicht weit her war mit der deutsch-französischen Freundschaft) auf rund 112 Seiten, in der wirklich kein Wort zuviel ist. Der Titel "Westküstenblues" bezieht sich offenkundig auf den Musikgeschmack des Gerfaut.Gelungen verfilmt mit Alain Delon.

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