Nicholas Petrie. Körperlich fit, intelligent und eigensinnig – mit Peter
Ash sollte man sich nicht anlegen. Ash hat jedoch mit seinem eigenen
Trauma zu kämpfen. Nur wenn er es überwindet, kann er eine Katastrophe
verhindern, die Tausende Menschen in den Tod zu reißen droht.
Peter
Ash ist fertig mit der Welt: Seit seiner Rückkehr aus den Kriegen im
Irak und in Afghanistan erleidet er Panikattacken, sobald er bloß einen
Raum betritt. Das "weiße Rauschen", wie er es nennt, zwingt ihn, in der
Wildnis zu bleiben und bei jedem Wetter unter freiem Himmel zu schlafen.
Doch als ein Freund aus der Army Selbstmord begeht, spürt Ash, dass
mehr hinter der Geschichte steckt, und wagt sich wieder unter Menschen.
Er hilft der Witwe des Mannes, ihr baufälliges Haus zu renovieren. Unter
der ramponierten Veranda entdeckt er mehr als nur morsches Holz: Hier
bewacht ein verdammt großer und verdammt hässlicher Hund einen
explosiven Fund – einen Koffer voller Geld und Sprengstoff. Der Koffer
ist aber lediglich ein Puzzleteil in einem wahnsinnigen Anschlagsplan,
der Tausende das Leben kosten soll. Ash bleibt nicht viel Zeit, um die
Täter ausfindig zu machen. Und bei seinen eigenen Ermittlungen findet er
Umstände vor, die er sich zuvor nicht hätte träumen lassen. Er wird
verfolgt, engagiert sich für einen vermissten Veteranen und muss
erkennen, dass in dieser Welt der Gier ein Menschenleben oder auch nur
lebenswürdige Zustände nichts mehr zählen. Durch die Gesetzgeber noch
unterstützt können raffgierige Zeitgenossen sich fast alles erlauben,
ohne auch nur ansatzweise dafür belangt zu werden.
Nicholas
Petrie hat hier seinen eigenen Jack Reacher zum Leben erweckt. Peter Ash
ist ein traumatisierter Veteran, der zwar in geschlossenen und/oder
engen Räumen gegen Panikattacken kämpfen muss, seit er aus Übersee und
den dortigen Konflikten zurück ist, sich aber mehr oder weniger damit
arrangiert hat. Er führt sein Einsiedlerleben in den Bergen und Wäldern
der USA. Doch Menschlichkeit, Verantwortungsbewusstsein und
Schuldgefühle sind ihm geblieben. Und das führt ihn direkt zu der Frau
seines Kumpels Jimmy, der sich umgebracht hat, weil er mit den Folgen
des Krieges nicht zurechtkam. Der Fund des Koffers bringt dann die
Spannung ins sein Leben und das Buch. Und die Riesentöle Mingus dann
auch - nach gewissen Anfangsschwierigkeiten - Humor. Und obwohl nicht
dick aufgetragen und auf jeder zweiten Seite tränenrührig vermarktet,
vermittelt Nicholas Petrie die Probleme, die Kriegsverteranen haben,
wenn sie in die Heimat zurückkehren. Viele schaffen den Weg zurück ins
Privatleben mit Arbeit und Familie, aber etliche bleiben alleine
gelassen, haben keine Chance, sich wieder einzufügen. Die Unterstützung
der Regierung wird immer weiter gekürzt. Viele sind obdachlos - und das
aus mannigfaltigen Gründen. Dass Nicholas Petrie hier weniger erfunden
hat, als man glauben mag, wurde mir durch einen Betroffenen bestätigt.
So ist der spannende Thriller auch ein sozialkritisches Plädoyer für den
verantwortungsvollen Umgang mit den Männern und Frauen, die für ihr
Land in den Krieg gezogen sind. Und eine Anklage gegen die
Gleichgültigkeit, die herrscht und die miesen Finanzjongleure, die mit
ihren Praktiken die letzte Krise ausgelöst haben, massenweise Familien -
auch die von Veteranen - ruinierten und auf die Straße trieben und
dennoch nicht etwa bestraft wurden, sondern neben Boni im schlimmsten
Fall noch immense Abfindungen kassierten. Die gierigen Hedgefondsmanager
mit ihren Risikogeschäften, bei denen nur ihre Kunden verlieren
konnten, nicht aber sie. All dies ist eingebettet in einen
hochdramatischen Thriller, der auch einige Actionsequenzen aufblitzen
lässt, aber insgesamt tatsächlich mehr an die Werke von Lee Child
erinnert, denn an jene von Ben Coes, um, nur ein Beispiel zu nennen. Die
sprachlichen Fähigkeiten des Autors sowie dessen flotter Stil machen
aus "Drifter" einen hochunterhaltsamen Roman, der mit ernsten Themen
ebenso wie mit reinen Unterhaltungselementen punkten kann - und Mingus,
der Hund, ist eine Marke für sich. Ausgefeilte und superb skizzierte
Figuren und Charaktere bringen viel Leben in die Geschichte und wenn
Herr Baldacci hier mit lobenden Worten zitiert wird, darf man dem schon
mal glauben, denn der Plot ergibt sich erst nach einiger Zeit, das
Puzzle zusammenzusetzen dauert, doch dann werden die Handlungsstränge
und Motive nach und nach miteinander verwoben. Und solange spekuliert
man auch als Leser, was sich da denn nun abspielt, wer mit wem warum
zusammenarbeitet. Klasse Suspense-Thriller aus der Feder eines neuen
Autors, der hoffentlich noch weitere Bücher dieser Art schreiben wird.
Möglichst MIT Peter und Mingus.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen