Donnerstag, 23. März 2017

Buchreview "Stummer Feind" T. Young

Tom Young. Major Michael Parson und die Dolmetscherin Sophia Gold müssen sich einer neuen Bedrohung stellen: In ihrem Flugzeug befindet sich eine Bombe. Doch wo? Bei einem Anschlag auf ein Polizei-Ausbildungszentrum in Kabul gibt es viele Tote und Verletzte. Major Parson sollte eigentlich ausgemusterte LKW befördern, doch wegen den zahlreichen Verwundeten wird der Flug kurzerhand zu einem Krankentransport umfunktioniert. Doch kaum gestartet, erhält Parson eine schreckliche Meldung: Dschihadisten haben eine Bombe an Bord versteckt! Weil ihnen kein Flughafen eine Landeerlaubnis erteilt, ist die Mannschaft in der Luft gefangen - und erwartet den Tod.

 Gold ist in Kabul nicht nur Dolmetscherin, sie arbeitet auch als Lehrerin für Einheimische, welche die Sprache ihrer Helfer (Besatzer oder Feinde, je nach Sichtweise) erlernen wollen. Doch unerwartet geht eine Bombe hoch. Auch sie selbst ist etwas in Mitleidenschaft gezogen, doch nur leicht. Im Gegensatz zu vielen anderen Personen - Zivilisten und Militärpersonal. Auch Schüler von ihr haben den Anschlag nicht unversehrt überstanden. Ebenfalls in der Nähe auf Hörweite des Attentats ist Parson und wartet auf seine Ladung, die aus altem und defektem Kriegsmaterial besteht, das er aus dem Land schaffen soll. Da die Zahl der Verletzten stetig steigt, wird auch seine Maschine bzw. die "Ladung" in eine Sanitätsevakuation umfunktioniert und viele Verwundete, einige davon schwer, an Bord gebracht. Und Gold kommt ebenfalls mit an Bord, um einige ihrer Schüler wie den schwer verletzten Masud zu betreuen. Für Wiedersehensfreude zwischen Parson und Gold ist keine Zeit. Jeder erledigt seinen Job. Die Maschine hebt von der Landebahn ab und gewinnt an Höhe. Dann erfolgt die Nachricht: Noch während die Maschine sowie die weiteren Transporter der Marke Lockheed Galaxy C-5 am Boden waren, haben Aufständische sie mit Bomben bestückt. Keiner weiß, welcher Art die waren/sind oder ob das überhaupt der Wahrheit entspricht. Letzteres erfahren sie bald! Es kommt eine Meldung herein, dass eine der Transportmaschinen explodiert ist. Nun wird die 
Situation verfahren. Wo ist die Bombe versteckt? Welche Art Bombe ist es? Zeitzünder, vielleicht Fluggeschwindigkeit oder gar Höhenmeter? Was löst die Explosion und damit die Vernichtung der gesamten Crew und den Passagieren aus? Ist es eine schmutzige Bombe? Radioaktiv oder mit Viren "im Gepäck"? Und das ist noch längst nicht alles. Sie wollen zwar, können aber nirgends landen. Europäische Länder verweigern ihnen die Überrflugerlaubnis in ihrem Luftraum, weil alle Angst vor dem haben, was die Bombe womöglich anrichten kann. So ist man auf die gefährliche Luftbetankung angewiesen und muss eine Ausweichroute suchen. Selbstverständlich nicht in die USA, die gefährden zwar gerne andere Nationen und bemängeln deren Hilfsbereitschaft, sind aber selbst zu feige, die Maschine auf ihr Festland zu lassen. Und es lauern weitere Gefahren innerhalb der Maschine und auch außerhalb. 

Wie es halt so ist, fallen mir bei derartigen Szenarios fast sofort "Airport"-Filme sowie das Buch des Autors Arthur Hailey ein. Das war es dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten, abgesehen von der hier aber eher milden Panik an Bord und den Zerwürfnissen unter den Passagieren sowie der Crew. Tom Young nutzt diese Gelegenheit, die wichtigsten seiner Personen auf engem Raum ohne Fluchtmöglichkeit zusammen zu haben, um mit dem einen oder anderen Nebensatz mehr auf sie einzugehen und sie dem Leser damit auch zugänglicher zu machen. Bisher vermeidet er auch geschickt, Gold und Parson in eine Beziehung schliddern zu lassen (wobei ich fest damit rechne, dass das noch kommen wird) und nur in kleinen Häppchen darlegt, was seit dem letzten Abenteuer mit beiden passierte. Da findet sich nichts von gemeinsamen Tagen. Der Autor hat sich hier, wie ein Dale Brown oder Stephen Coonts es auch taten oder tun, auf seine Aviations-Kenntnisse verlassen und so diverse Schäden oder Fragen zur Haltbarkeit einer solchen Riesenmaschine, mit Bewaffnung wäre sie eine Art T-Rex der Luftfahrt, verständlich für die Leser erläutert - und sich die eine oder andere dramaturgische Freiheit genommen. Und die Dramaturgie selbst? Gerade die ist weit entfernt von "Airport". Hier geht es Schlag auf Schlag, ist eine Krise bewältigt, folgt schon die nächste. Terror an Bord, nicht genug Medikamente, Bedrohung durch Kampfflieger feindlich gesinnter Nationen, Suche nach einem Landeplatz, Schäden an der Maschine, Auseinandersetzungen im Passagierraum und viele Patienten, die dringend professionelle Hilfe in bestens ausgetatteten Kliniken benötigen. In jedem Fall ein Rennen gegen die Zeit. Und hier mal ein Wort zur Übersetzung, obwohl ich das Original nicht kenne. Ich fand es gelungen, dass die Übersetzerin hier einige Dialoge oder Gedankengänge wie "Volkes Wort" eingebracht hat oder eben dem raueren Militärslang seinen freien Lauf ließ. Machte das Ganze irgendwie sympahischer. So konnte man diesen sehr schnellen, spannenden und hin und wieder auch reißerischen Thriller prächtig lesen und hat ihn nahezu verschlungen. Feine Actionunterhaltung, die gerne vom Festa-Verlag mit weiteren Abenteuern in bewährt beeindruckender Weise mit Einband, Cover Art, Übersetzung und angemessenem Preis weitergeführt werden kann. Ich weiß, ich erwähne es ständig, aber für mich hat es seine Berechtigung: Wäre Frank Festa mit seiner Gattin Inge nicht bereit gewesen, den Versuch zu wagen, das Risiko einzugehen, derartige Lektüre wieder auf einen Markt zu bringen, der sich völlig von dem Genre verabschiedet hatte, um sich den nächsten tausend billig einzukaufenden Dan Brown-Klonen oder Jugendtrilogien zu widmen, würden die Freunde der Actionliteratur heute noch darbend vor sich hin dämmern, da man einfach keinen Bock auf den nächsten Serienkiller oder Profiler im 08/15-Stil hat. Und jetzt: Wir haben einen Verlag, der einen Autor nach dem anderen aus dem Hut, den er nur selten trägt, zaubert und uns blendend versorgt. Und wir haben andere Klein-Verlage, die mitziehen. Ihnen allen sei es gedankt, dass ich wieder durch rund 410 Seiten absoluter Unterhaltung vom nervigen Medien- und Politikalltag abgelenkt wurde.

Keine Kommentare: