Donnerstag, 27. Oktober 2011

Buchreview "Im tiefen Wald"

Adam Nevill. Die Weite der schwedischen Wildnis ist ideal, um den Alltagsproblemen zu entfliehen und alte Freundschaften wieder aufzufrischen. Das ist zumindest der Plan von Luke, Hutch, Phil und Dom, vier Mittdreißigern aus England, die zu einer Trekking-Tour in die Wälder Schwedens aufbrechen. Doch als sie vom Weg abkommen und sich hoffnungslos im Wald verirren, wird der Ausflug zum wahren Horrortrip.
Je tiefer sie in das alte Gehölz geraten, desto unwohler wird ihnen zumute. Die Einsamkeit des Waldes wird immer bedrückender und Hunger sowie Durst machen ihnen zu schaffen. Die Situation wird unerträglich, doch ihr wahrer Albtraum beginnt erst als sie mitten in der Wildnis auf ein verlassenes Gebäude stoßen, das mit augeweideten Tierkadavern verziert ist. Etwas Böses hat hier seinen Unterschlupf. Angst macht sich breit, wozu auch wirre und beängstigende Träume beitragen, die sie während der hier verbrachten Nacht heimsuchen. Und damit nicht genug. Von der Hütte aufgebrochen, um die unheimliche Gegend endlich zu verlassen, kommen sie nur weiter vom Weg ab und stoßen auf einen uralten Friedhof, auf welchem sie aber auch Gebeine neueren Datums finden. Die Nerven liegen blank, Streit kommt auf, doch um endlich aus der düsteren Wildnis verschwinden zu können, müssen sich die Vier zusammenraufen. Sie fühlen sich beobachtet und kurz darauf wird der erste von ihnen von etwas geschnappt und ausgeweidet in die Bäume gehängt. Die restlichen drei kämpfen sich weiter durch das unwegsame Gelände, verfolgt von einer unheimlichen Kreatur. In Teil 2 des Buches kippt die Handlung in eine andere Richtung, auf die ich ohne größere Spoiler nichtr weiter eingehen kann.
Die Protagonisten des Romans bekommen ihr Profil schon zu Beginn der Story. Da ist der ruhige und bedächtige Anführer, der aggressive Typ, der fette Geschäftsmann und der schlichte Mitläufer. Und je mehr sie sich auf ihrem Pfad bewegen, umso deutlicher müssen sie erkennen, dass ihre Lebenswege seit dem Studium in unterschiedliche Richtungen gingen. Die frühere Verbundenheit ist dahin. Während ihrer Camping-Tour tun sich Abgründe auf. Und dann der Wald. Düster, dunkel, alt, kein Fitzelchen Helligkeit durchlassend, als hätte er ein Leben und wollte sie in seinem Reich festhalten. Nach den ersten grausigen Funden bstimmen Angst und Albträume ihren Weg. Nevill schafft es, diese Gefühle extrem realistisch rüberzubringen, es ist fast spürbar. Als wäre man selbst mit seinen eigenen Urängsten in diesem Wald unterwegs. Da kommt echtes Gänsehautfeeling auf. Das Rätselhafte, das hinter den Ereignissen steckt, packt einen regelrecht, macht neugierig auf den Fortgang und verleitet dazu, immer weiter zu lesen, auch in den Situationen, wo sie zwar nicht attackiert werden, aber sich untereinander zoffen und bei der Gelegenheit ihre wahren Gefühle und Abneigungen gegeneinander zutage treten. Da stellt sich einiges mehr nur als Schein denn als Sein heraus. Der Überlebenskampf, zu dem die Trekking-Tour wird, kann mitreißen, hat aber auch den einen oder anderen Hänger aufzubieten. Zu lange währt ihr Stolpern durch den Wald. Teil 1 ist beängstigend, beunruhigend und furchteinflößend, während Teil 2 denn paranormale Tendenzen und eine etwas härtere Gangart aufweist, auch wenn es entschieden blutrünstigere Bücher gibt. Flüssiger, spannender und schon irgendwie guter Horror, der aber nicht so beeindruckend ist, dass man sofort nach der Lektüre nach mehr verlangen würde. Und eine im Buch erwähnte Personengruppe wird sich ob des Klischees, auf dessen Opferaltar sie aufgebahrt wird, etwas angepisst fühlen. Auf weitere derartige Formulierungen wird aber wohltuend verzichtet. Mangelhaft vielleicht, dass einer der Protagonisten wohl nie unter Blutverlust leidet, trotz seiner vielfältigen schweren Verletzungen und auch sonst übermenschlich zäh erscheint. Insgesamt ist "Im tiefen Wald" wohl im oberen Drittel des Genres anzusiedeln und kein wirklicher Fehleinkauf. Wer eine solche Atmosphäre zu schätzen weiß, dürfte ziemlich zufrieden sein.

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