Montag, 5. Juli 2010

Buchreview "Das Inferno"

Richard Laymon. Ein schweres Erdbeben erschüttert Los Angeles. Im darauffolgenden Chaos versucht Clint zu seiner Familie zurückzukehren. Gemeinsam mit der cleveren Em muss er sich der plündernden und mordenden Horden erwehren, die L.A. heimsuchen. Und er muss sich beeilen, denn seine Frau Sheila ist unter den Trümmern des Hauses nackt in der Badewanne eingeklemmt - und ihrem psychopathischen Nachbarn Stanley hilflos ausgeliefert. Fernab von Pseudofans, die nur für 4 Wochen im Jahr mit Fußball in Berührung kommen, weil es organisierte Saufpartys und öffentliche Gelage im Stile vom Ballermann gibt und sich besonders produzieren, wenn ne Kamera in die Nähe kommt, ohne wirklich einen Bezug zu dem Sport zu haben, konnte ich mich zwischen den TV-Übertragungen (nix Public Viewing mit zugedröhnter Klientel) dem neuen Laymon widmen. Hier schildert er die Geschehnisse nach dem Beben aus der Sicht einer Familie, die sich an drei Locations aufhält. Sheila ist im eigenen Haus unter zusammengebrochenen Balken und Schutt in ihrer Badewanne eingeklemmt, in die sie sich gerade noch so nackt wie Gott sie schuf, flüchten konnte. Ihr Problem dabei ist nicht nur, wie sie freikommen soll, sondern der fette, notgeile Nachbarspsycho, der Muttern, die ihn ständig bevormundet hat, schon mal unter dem Schutz des Erdbebens mit einem Brocken auf die Nuß vom Leben zum Tode befördert hat, damit er endlich seine Sehnsüchte ausleben kann. Und die bestehen nunmal darin, dass er Sheila die Seele aus dem Leib kneckern will. Tochter Barbara befindet sich mit drei weiteren Fahrschülern und dem Fahrlehrer unterwegs bei einer praktischen Fahrübung als der Krawall losgeht. Der Fahrlehrer setzt sich flugs ab und die vier Kids müssen sich ab da allein nach Hause durchschlagen, was ihnen durch marodierende Gesellen und Uneinigkeit untereinander auch nicht gerade leicht fällt. Wäre dann noch Papa Clint zu erwähnen, der vom Arbeitsplatz aus versucht, nach Hause zu kommen und unterwegs die Angestellte Mary sowie später noch die 13-jährige Em aufliest und mit ihnen eine Odyssee vom Bürokomplex in die Außenbezirke hinter sich bringt. Laymon, Apokalypse, Erdbeben, Sex, Blut und Gewalt. Hört sich doch vielversprechend an. Aber schon die Schilderung des Erbebens mit den paar kleinen Erdpupsern kam bei mir nicht an. Ich musste aus keinem besonderen Grund an einen Film von The Asylum und die dilettantische Tricktechnik denken und schon war es vorbei mit der Freude. Leider hat sich die Handlung den auch ähnlich entwickelt. Bis auf den fetten Stanley, der sich die nackte Sheila greifen will und dabei alles aus dem Weg räumt, was ihm in ebensolchen kommt, passiert lange Zeit nix. Kleine Streitereien unter Weggefährten und mehr ist nicht. Vielleicht bin ich wirklich etwas übersättigt, was Laymon-Outputs angeht, denn so richtige Begeisterung sieht anders aus. Es dauert auch bis zum letzten Drittel, bis endlich mehr Drive in die Geschichte kommt, wirklich Blut vergossen wird und einige Härten das Geschriebene interessanter machen. Dazu kommen die typischen Szenarien über die weibliche Anatomie - vorzugsweise mit Schilderungen unterhalb des Halses und oberhalb der Gürtellinie. Da hätte man dem Buch auch Titel wie "Quake of Boobs" oder "Brustinferno" verpassen können. Intensive Charakterzeichnungen oder gar persönliche Entwicklungen bei den Protagonisten wird man wie immer vermissen, das war halt nicht sein Stil. Die großspurig im Klappentext erwähnten plündernden Horden sind jeweils kleinere Grüppchen durchgeknallter Figuren, die sich - die Situation ausnutzend - bereichern und jene, die sich dagegen wehren, einfach mal kaltmachen. Dass aber innerhalb eines nicht mal ganz abgelaufenen Tages die Leute schon auf Skalpjagd gehen und dem Kannibalismus frönen, ist denn doch etwas sehr abwegig und überzogen, aber normale Plünderungen sind ja im Laymon-Universum zu vernachlässigende Kleinigkeiten, da muss schon dicker aufgetragen werden, was auch eine Marktanpassung für die deutschen Leser zur Folge hatte. Nichtsdestotrotz hätte das Werk um 200 Seiten gestutzt werden können und hätte damit an Tempo gewonnen. Und als es dann im letzten Drittel endlich zur Sache geht, scheint dem Autor plötzlich eingefallen zu sein, dass er sich zu seinem dringenden Termin beim Psychotherapeuten schon verspätet und er hat sich beeilt die Geschichte zügig zu beenden, was dem Ganzen noch einen kleinen abgehackten Beigeschmnack gibt. Irgendwie hat er es nicht so mit dem konsequenten Durchziehen einer Story bis zum Ende. Obwohl hier und da ein Kopf mal abgesägt wird, ein paar Dödel aussehen, als hätten sie sich wie John Wayne auf Skalpjagd gemacht, ein oder zwei Shootouts sich einschleichen und natürlich viel Fleischbeschau speziell der weiblichen Figuren eingebaut ist, hat auch dieser Roman nicht das Zeug, als vollwertiger Tipp empfohlen zu werden. Tochter Barbara hat auf den letzten Seiten des Buches einen Aufsatz für die Schule abzuliefern, der aus nur zwei Seiten besteht und die blutigen sowie erotischen Details auslässt - und damit eine perfekte Inhaltsangabe der gesamten Story abgibt. Mehr ist es echt nicht. Für Neulinge ganz gut, für Stammleser nur Mittelmaß und für Gegner trotzdem genug Stoff zum Kritteln. Insgesamt annehmbar und die nächsten seiner Romane werden sicher auch gekauft, doch der Reiz des Neuen ist schon lange verflogen, obwohl er zumindest auf seinem Gebiet noch einer der Besseren Autoren ist. Leider wird es bei einer Erscheinungsfolge von einem Buch pro Quartal irgendwie etwas langweilig. Weniger wäre hier vielleicht mehr. Bin schon auf der Suche nach frischem Wind und neuen Autoren (zumindest was die deutschen Veröffentlichungen angeht). Ne kleine Randbemerkung zum Schluß. Wenn man sich die Vita des Autors durchliest, kann man erfahren, dass er auch als Lehrer gearbeitet hat. Bei seinen Schilderungen der Anatomie minderjähriger Mädels und seiner überbordenden Fantasie hinsichtlich Gewalt gegen Frauen jeglichen Alters, kommen einem da schon mal zweifelnde Gedanken über den geistigen Zustand des Mannes auf. Wäre der Lehrer bei meinen Gören gewesen (so ich welche haben würde), ich hätte sie von der Schule genommen und selbst zu Hause unterrichtet. Dann wären sie jetzt zwar blöd wie trocken Brot, aber wenigstens unversehrt.

6 Kommentare:

Doc Savage hat gesagt…

Netter Abschlusskommentar! ^^

Lustigerweise hab ich den Schinken sogar in greifbarer Nähe. Vielleicht schau ich Tage mein rein. Oder gibts schon eine verfilmung davon?! *hehehe *;-D

Harry hat gesagt…

@ Doc Savage! Was, Du hast ein Buch zu Hause? Wer hat Dir denn das geschenkt? Mag er oder sie dich etwa nicht? *gg* Ernsthaft - wenn Du nicht zu den Dauerlesern von Laymon zählst, könntest Du dem Werk vermutlich mehr abgewinnen als ich.
@ SNEAK! Weiterer Nachtrag: Matthew Delaney mit "Dämon". Gibt es momentan für 6 Euronen zu greifen und ist echt stark. Schon leicht betagt und wurde hier auch nicht verarbeitet, da gelesen, bevor ich zum hiesigen Frondienst shanghait wurde. Im September kommt die langerwartete Fortsetzung "Golem". Mir noch unbekannt, aber auf die Orderliste gesetzt - John Niven mit "Kill your friends".
Gruß
Harry

Anonym hat gesagt…

Danke Harry-der Sommer ist "booked",hehe.Und wie immer:tolle Review!
Dämon hatte ich sogar schon mal in der Hand,da wußte ich aber noch nicht, daß du dem Buch deinen Segen erteilt hast.Jetzt wirds gelesen!Ich weß auch nicht-ich muß manchmal zu meinem Glück gezwungen werden, frag meine Freundin-oder besser noch-Shane.

ansonsten wie immer...nennen sie mich SNEAK.

Harry hat gesagt…

@ SNEAK. Danke für das Lob bezüglich Review, aber so dolle fand ich es beim Korrekturlesen nicht mehr. Abgesehen davon, dass ich etwas abgeschweift bin (Zu Beginn Fußball, zum Ende die Randbemerkung zum Autor), gibt es zu Laymon nicht mehr viel zu schreiben. Sein Stil bleibt gleich, der Handlungsaufbau ebenfalls und auch die Charakterausarbeitung. Bleibt eigentlich nur noch der Inhalt und ob er gefällt oder nicht. Da gibt es einfach nicht mehr viel auszuarbeiten, ohne sich wie der Autor selbst ständig zu wiederholen.
Zu von mir erwähnten Büchern für Dein Sommerloch kannst Du den Shane zu Charlie Huston und den Joe Pitt Büchern sowie dem Dämon von Matthew Delaney interviewen, der hat die auch vorliegen.
Gruß
Harry

Anonym hat gesagt…

John Niven kann ich eigentlich vorbehaltlos empfehlen. Inwischen habe ich außer "Kill your friends" auch "Coma" gelesen und fühlte mich gut unterhalten.
Zu "Inferno" habe ich schon meine Meinung abgesondert. Beruhigenderweise bin ich also scheinbar nicht die einzige, die diesen Roman mit ein wenig gemischten Gefühlen wahrgenommen bzw. gelesen hat. Aber auch ich werde sicherlich den nächsten Laymon wieder konsumieren.
Letztendlich ist es doch immer wieder ersprießlich, wie gut man sich (so gut wie fast immer) auf Harrys Meinung/Urteil verlassen kann ;-))).

Viele Grüße an alle und ganz speziell SNEAK und HARRY!
Die Sandy
(Die Abkürzung Sandy konnte ich eigentlich noch nie leiden – warum habe ich damit nur angefangen?)

Anonym hat gesagt…

Also ich finde die Abkürzung frech und sexy-passt zu dir-also RUHE!

SNEAK