Dienstag, 25. Mai 2010
Buchreview "Der sichere Tod"
Adrian McKinty. Die Bronx. Harlem. 2000 Morde pro Jahr. Und nicht gerade das, was der Ire Michael Forsythe sich von New York erhofft hat. Aber als Neuling in Darkey Whites Street Gang macht Michael sich gut. Bis er sich mit dessen Freundin einlässt - eigentlich sein Todesurteil. Doch Darkey hat Michael unterschätzt.
Da als Erzählform die Ich-Version gewählt wurde, lassen wir uns vom Protagonisten zum Einstieg gleich mal berichten, warum er als Sozialschmarotzer (Nein, er ist weder Banker noch Politiker) enttarnt wurde und daher wegen besserer Verdienstmöglichkeiten illegal (ja, in den Anfängen der Nineties ging das noch) von Irland in die USA einreist. Da ist er nun als Weißbrot in Harlem gestrandet und soll für Darkey White (Iren-Mafia) die Drecksarbeit erledigen. Mit Coolness und Effizienz sowie etwas mehr Verstand als seine Compadres schafft es Michael, die Aufmerksamkeit seines irischen Gangbosses Darkey auf sich zu lenken, der ihm während einer längeren Zechtour ob einer gelungenen Aktion gegen die Konkurrenz den Aufstieg in der Hierarchie in Aussicht stellt. Klingt nach rosigen Zeiten? Eigentlich ja, wenn dann aber nicht der Schwanz über den Verstand gehen und er mit der Tusse vom Boss anbändeln würde. Mag der ja nun gar nicht. Und ist auf Rache aus. Irische Hitzköpfe im Vendettamodus. Das kann ja was werden - und wird es auch. Umwerfend verfasst, sodass man ständig an der Story dranbleiben will und das Buch nicht aus der Hand legen kann. Dabei kommen einem irgendwie auch Charlie Huston und sein Verlierer Hank Thompson in den Sinn. Währenddessen gibt der Erzähler einen Einblick in das New York zu Beginn der Neunziger. Verkommen und versifft. Mord, Totschlag, Drogen. Ein Schmelztiegel der Kulturen. Weiß, schwarz, braun, gelb. Aus aller Herren Länder legal und illegal eingereist, versuchen sie sich mehr oder weniger legal oder illegal durch's Leben zu schlagen. Eine kaputte Stadt, nahe daran, von den Kriminellen und Gangs übernommen zu werden. Und in diesem "freundlichen" Ambiente mittendrin Michael mit seinem Problem Darkey White, das er bis jetzt mehr erahnt, denn sicher weiß. Hat Darkey nun Kenntnis von seiner verhängnisvollen Liaison oder nicht? Szenenwechsel: Neuer Auftrag in Mexiko. Sonne, Strand, Suff und Mädels plus ein Drogengeschäft. Und wie nicht anders erwartet - eine Falle. Geschnappt. Eingekerkert. In einem versifften Mexenknast. Und vor allem - allein. Jo, Darkey hat wohl doch was mitbekommen und Michael schön auflaufen lassen. Dann kommt die Verlegung in eine noch schlimmere Einrichtung, aber wenigstens trifft er dort drei seiner Kumpane wieder. Nur Big Bob - die Nummer Vier - fehlt. Nach und nach gehen während der grausamen Haftzeit seine Begleiter drauf und nur Michael schafft es, unter unmöglichen Qualen und einem unbändigen Durst nach Rache dem fieberverseuchten Sumpfknast in die Zivilisation zu entkommen. Nach einer wahren Odyssee und vollkommen zerschreddert schafft er es zurück nach New york, kommt hier und da unter, muss Rückschläge einstecken, macht sich aber gleich daran, einen Plan zu entwickeln, seine Rache endlich genießen zu können, wobei ihm Darkeys Konkurrenz durchaus gerne behilflich ist. Das wird bitter für Darkey White. Sehr bitter.
Da kann ich nun gleich mal die Beichte ablegen, dass Bücher aus dem Suhrkamp-Verlag bei mir eher selten im Regal stehen, doch nun kommt nach Don Winslow ("Frankie Machine") mit Adrian McKinty innerhalb kurzer Zeit ein weiterer hoch zu schätzender Autor aus diesem Hause hinzu. Kompliment. Narrativ und sprachlich kann man ihn vielleicht auf die Ebene von David Peace heben, nur nicht ganz so drastisch in der Wortwahl, aber ein sanftes Gute-Nacht-Geschichtchen braucht niemand zu befürchten, schließlich geht es um hitzköpige Iren. Auf jeden Fall ist "Der sichere Tod" mit der Rache-Odyssee des Iren Michael Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts ein Top-Thriller auf dem Markt, der auch Lust auf mehr macht (es gibt auch noch zwei Fortsetzungen, deren Veröffentlichungsdatum in Deutschland aber noch nicht bekannt ist). Mit der hohen Kunst der Literatur hat das Buch eher weniger zu tun (dann wäre es bei mir aber auch an der völlig falschen Adresse). Dafür ist es hart und rau wie New York es war, bevor Giuliani dort aufgeräumt hat. Insgesamt wirklich eine positive Überraschung, da der Autor auch durch handwerkliches Geschick hinsichtlich der Stilistik zu überzeugen weiß und eine erstaunliche erzählerische Vielfalt (feinsinnigen Humor speziell zu Beginn der Geschichte, Thriller, Dramatik) aufzuweisen hat, die eine nicht ganz neue Rachegeschichte dadurch äußerst lesenswert macht. Also keine wirklich neue Story, doch so gut in den Zutaten, dass sie zu begeistern weiß. "Der sichere Tod" ist ein todsicherer Tipp.
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