Freitag, 15. Juni 2018

Buchreview "The president is missing" B. Clinton, J. Patterson + ?

Bill Clinton + James Patterson + ?. Es gibt Dinge, die nur ein Präsident wissen kann. Es gibt Dinge, die nur ein Präsident tun kann. Doch was geschieht, wenn der Präsident verschwindet?

Zur Frage im Buchrückentext: Es schreibt einer ein Buch drüber. Womit wir schon bei meinem Thema wären. Clinton ist für das Insiderwissen zuständig, das mekrt man deutlich. James Patterson hat seinen Namen draufgeknallt, man weiß aber, dass er für die meisten seiner Bücher, abgesehen von denen um Alex Cross, seit der Jahrtausendwende Co-Autoren engagiert hat. Bekannt ist auch, dass man Co-Autoren gegen einen großzügigen Obulus an den Lohnschreiber von der Nennung als Autor eines Werks "befreien" kann. Genau das scheint mir hier der Fall gewesen zu sein und daher auch das Fragezeichen für einen möglichen dritten Autor.

Das Buch selbst ist stellenweise wirklich gut, bietet sogar einmal für diese Verhältnisse recht gute, explosive und gelungene Action, gibt einige Einblicke in die Arbeit eines Staatenlenkers und mit welchen Problemen er sich tagein, tagaus rumzuplagen hat (er kennt sich ja auf und unter dem Schreibtisch eines Präsidenten aus). Und die tauchen in solchen Fällen ja gehäuft auf, wobei die spekulierende, parteiische und verlogene Presse nur eines der kleineren ist. Da ist die Opposition, die den derzeitigen Machthaber liebend gerne vom Thron stürzen oder zumindest unglaubwürdig und lächerlich machen würde und da sind die Brandherde überall auf der Welt, die den Amis Probleme machen. Es gilt die Bündnispartner zu besänftigen oder bei Laune zu halten, damit man sie in Krisenfällen vorschicken kann. Man muss auf Diplomatie machen, wenn es gegen alte und neue Feinde geht und vertuschen, wenn man mal wieder etliche Zivilisten eines anderen Landes zugunsten einer eigenen Operation opfert. Kollateralschäden eben - wenn es niemanden aus den eigenen Reihen trifft. Und es werden anfangs auch etliche interessante und auch wichtige Themen angerissen. Das US-Wahlsystem, diese Abhängigkeit von den sich längst selbstständig gemachten sozialen Medien und Netzwerken, wo auf jeden feuchten Furz eine Reaktion erfolgen muss, man postet, was das Zeug hält, unterrichtet nur Nullen und Einsen oder Pixel oder was auch immer über Zeugs, das man verbreitet haben will, man benutzt diese Medien und verteufelt sie. Aber eigentlich hat man sich ihnen längst unterworfen - oder warum immer diese Rückzieher, wenn man mal ein drastisches Wort gewählt hat und sich irgendwer oder irgendeine Gruppe daran aufgeilt. Doch all das wird schnell abgehandelt, unter den Tisch fallen lassen. Und der verschwundene Präsident? Was den Hintergrund der Sache angeht, wird sogar Spannung verbreitet, deren Potenzial nicht völlig ausgeschöpft wird. Für den Leser verschwindet er nie. Und das Chaos, die wilden Spekulationen, die sich breitmachen würden, wäre der Präsident mehrere Tage nicht zu sehen oder kontaktieren, wird auch vernachlässigt. Er wirkt im Dunkel der Schatten seiner Freunde und Beschützer, um eine Bedrohung abzuwenden. Und damit sind wir bei den - vielen - Mängeln. Alleine der Präsident ist zu gut, um wahr zu sein. Ein echter Gegenentwurf zu Trump und der Buchpräsident verkauft sein "America First" - sagen wir - diplomatischer. Aber nichts anderes bekommt der Leser hier geboten. Der Kerl ist ein Bub aus ärmlichen verhältnissen, der sich stets treu geblieben ist und brav gelernt hat, fleissig war und sich dann in der Politik mit allen ehrbaren Mitteln (In der Politik, hihi) zum Präsidentenjob gearbeitet hat. Er war bei der Armee, ein tapferer und loyaler Soldat, der seine Pflicht getan hat. Er wurde gefangen genommen, natürlich gefoltert (Wo Amerikaner nur verhören, jaja.) und hat seine Truppe nie verraten. Er hat einen Schicksalsschlag mit dem Tod seiner Gattin erlitten und ist der goldigste Superbursche auf dem Thron all der absolut untadeligen Herrscher über die selbsternannte Weltpolizei. Richtig knuffig, der Kerl. Die Feinde sind dann leider die üblichen Verdächtigen und selbstverständlich weniger human in der Wahl ihrer Mittel wie die Vereinigten Folteroutsourcer von Amerika. Selbstverständlich ist sich die USA in keinem Fall einer Schuld bewusst, im Laufe ihrer noch nicht lange währenden, dafür aber um so kriegsorienteren Existenz, etwas Falsches getan zu haben. So etwas hat in diesem Buch nichts verloren. Nein, nein, geht ja gar nicht. Kritik an einem Land, einer Nation, die sich als DEN Global Player schlechthin sieht, verschuldet ist, bis ins Mark und sich erlaubt, ihre Bündnispartner antanzen zu lassen wie böse Schüler beim Rektor. Tja, dann haben wir noch das "24"-Problem, das Klischee überhaupt - Verrat in der Zentrale der Macht. Eieiei, wie geht denn sowas? Ein völlig überraschender Faktor in diesem Thriller. Ebenso überraschend wie das Allwissen des Protagonisten, der selbst seine schlauesten Berater belehren muss, weil sie für die Probleme keine Lösung finden und er nur wenige Gedankengänge dafür benötigt. Eine abgearbeitete Checkliste der Klischees aus dem Patterson-Universum + Bill Clinton sowie ?. Fertig ist der Reißer des Jahres, ähem und so.

Was bleibt ist ein durchaus für den Massenmarkt spannender, aber unrealistischer Präsidentenheldenroman, der zum Ende auf jeden Fall bildlich untermalt gehört. Die letzte Rede muss einfach mit dramatischer Musik - am besten "Hail to the chief" - und wehenden US-Flaggen präsentiert werden, wenn der Amtsinhaber seine Leute und die ganze Welt auf den Weg der USA einschwört. Naja, ne TV-Serie ist wohl angedacht, die Rechte verscherbelt. "The president ist missing" wird seinen Weg machen,das ist klar. Der Hype um einen Roman eines Ex-Staatenlenkers aus Nord-Amerika trägt seinen Teil dazu bei. Auch viele positive Rezensionen, die ich nicht alle so wirklich nachvollziehen kann, werden das tun - ist ja eh alles Geschmackssache und ganz sicher auch nicht vorwurfsvoll von mir gemeint, ich denke halt anders darüber, sonst nichts. Kein Buch, das die Welt unbedingt gebraucht hat und bei dem ich weiterhin vermute, dass ein dritter Autor daran mitgearbeitet hat, wenn ich mir den Stil so betrachte und mit den anderen Werken von James Patterson vergleiche, die ich schon gelesen habe. Und ich? Ich bleibe bei meinen America First-Romanen aus der Actionecke, die sind nicht ganz so verlogen und auf jeden Fall unterhaltsamer, rasanter, fetziger und auch brutaler.

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